Haftung des Rechtsschutzversicherers trotz Pflichtverletzung vor Versicherungsbeginn bei mehreren selbstständigen ärztlichen Verstößen

Der Rechtsschutzversicherer kann in einem etwaigen Arzthaftungsfall die Übernahme der Kosten verweigern, wenn der ärztiche Rechtsschutzfall vor Versicherungsbeginn eingetreten ist.

Dabei muss gegebenenfalls bei der Ermittlung, ob ein ärztlicher Verstoß in den versicherten Zeitraum fällt, zwischen ärztlichen Dauerverstößen und mehreren selbstständigen Verstößen differenziert werden.
In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Versicherungsnehmer die Rechtsschutzversicherung 2001 abgeschlossen. 1998 wurden beim Kläger erstmalig Bandscheibenvorfälle durch den behandelnden Arzt diagnostiziert, die sich in der Zeit von 2002 bis 2004 verschlimmerten und schließlich eine Operation im Jahre 2005 erforderlich wurde. Der Kläger erhob daraufhin den Vorwurf einer ärztlichen Fehlbehandlung, weil nach Ansicht des Klägers eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch eine frühzeitige Operation im Jahre 1998 hätte verhindert werden können, wobei der Kläger die Ansprüche jedoch für die Zeit nach 2002, mithin nach Versicherungsbeginn stützte.

Das Gericht entschied, dass es bei der Übernahme der Kosten durch die Rechtsschutzversicherung maßgeblich auf den Zeitraum ankommt, in dem sich der ärztliche Pflichtverstoß ereignet. Handelt es sich demnach um einen Dauerverstoß, bei dem rechtlich unselbstständige Verstöße vorliegen, die einen einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorgang darstellen, so liegt darin ein einheitlicher Rechtsschutzfall, der schon 1998 eingetreten ist und nicht mehr unter den Versicherungsschutz fällt. Insbesondere ist von einem Dauerverstoß auszugehen, wenn der Gesundheitszustand des Patienten über längere Zeit gleichbleibend ist und der Arzt während dieser Zeit die erforderliche Aufklärung nicht vornimmt.
Treten dagegen bei dem Patienten gesundheitliche Verschlechterungen ein, die nunmehr eine Aufklärung mit anderem Inhalt und gesteigerter Dringlichkeit erforderlich machen, so liegen mehrere selbstständige Verstöße und mehrere selbstständige Rechtsschutzfälle vor, die gegebenenfalls in den Versicherungsschutz fallen.
 
Oberlandesgericht Hamm, Urteil OLG Hamm 20 U 71 10 vom 27.10.2010
Normen: ARB 2000 § 4 I, II
[bns]